Der Sommer 2020 war aus astronomischer Sicht ein sehr guter Sommer. Es gab lange, stabile Hochdruckphasen mit vielen wolkenarmen Nächten. Im Juli hatten wir den Kometen NEOWISE; im August klare Neumondnächte, die ich grossteils in den niederösterreichischen Bergen nutzen konnte. Im September ging der Sommer in die Verlängerung und ermöglichte mir erstmals seit zwei Jahren wieder eine Astrotour auf die Großglockner-Hochalpenstraße. Mein bevorzugtes Quartier war auch dieses Jahr das Wallackhaus, in 2304m Seehöhe auf der Südseite des Alpenhauptkamms gelegen, ein komfortables Berghotel, da sich schon seit über 20 Jahren kenne und für Astrotouren nutze.
Traditionell mache ich gerne eine Wanderung auf dem Weg zur Glocknerstraße. Besonders schön sind die Almen unter der Südwand des Hochkönigs, der zu den Berchtesgadener Alpen gehört. Die Mandlwand, die südöstliche Flanke des Hochkönigstocks, versteckte sich zwar in Wolken, aber es gab immer wieder Wolkenlücken, zwischen denen hindurch die Felswände sichtbar wurden. Unterhalb der Felswände führt der Salzburger Almenweg über die Wiesen und durch die Wälder. Ich folgte ihm vom Arthurhaus über die Windraucheggalm zur Riedingalm, wo die Wolken teilweise aufrissen und Ausblicke auf die Felsberge des Hochkönig-Massivs freigaben.
Beim Arthurhaus: Kaninchen und Bronzeadler
Wanderung unter den Wänden des Hochkönigs
Der Hochkönig-Straße folgend ging es anschließend über den Dientner Sattel nach Dienten, immer wieder mit Panorama-Blicken in die Hochkönig-Wände.
Hochkönig-Panorama vom Dientner Sattel und von der Liebenaualm
Als ich dann abends auf der Großglockner-Hochalpenstraße ankam, war es ziemlich bewölkt, mit dem einen oder anderen Sonnenstahl zwischendurch. Später dann sogar leichter Regen. Die Situation sah aber nicht hoffnungslos aus, es gab immer wieder Wolkenlücken. Auch die Wetterprognose klang positiv, demnach sollte sich noch während der Nacht ein Hochdruckgebiet über den Hohen Tauern ausbilden und früher oder später für klaren Himmel sorgen.
Angekommen beim Wallackhaus: Hier noch recht sonnig, später kam Regen
Angekommen am Wallackhaus packte ich erst mal aus, gönnte mir ein gutes Abendessen und wartete die Situation ab. Tatsächlich: Der Regen klang ab, und als dann gegen 21:45 die Wolkenlücken immer größer wurden und Jupiter durch die Restbewölkung durchblinzelte, beschloss ich meine Instrumente direkt an der Südseite des Wallackhauses aufzubauen. Gut dokumentiert ist der Wolkenabzug im Zeitraffervideo, das ich zu diesem Zeitpunkt startete und die ganze restliche Nacht hindurch laufen ließ:
Strichspuraufnahme der ersten Nacht (zweite Nachthälfte) beim Wallackhaus Richtung Süden.
Zeitrafferaufnahme der ersten Nacht (YouTube-Link) vom Wolkenabzug bis zur Morgendämmerung.
Mein Fotoobjekt für diese Nacht war Sharpless 2-126, ein großer Emissionsnebel im Sternbild Lacerta, der von einer Molekülwolke mit der Bezeichnung LBN 437 überlagert wird. Der Emissionsnebel kann mit Hα Filter auch bei mäßiger Lichtverschmutzung herausgearbeitet werden, aber speziell für die Molekülwolke braucht es dunklen Alpenhimmel. Dafür kam mein 125/469 mm Wright-Newton Weitfeld-Instrument zum Einsatz. Da ich erst recht spät mit den Aufnahmen starten konnte, bleib es in dieser Nacht bei dem einen Objekt, die Aufnahmen liefen sowohl am Teleskop als auch am parallel montierten Teleobjektiv bis zur Morgendämmerung.
Sh2-126 im Sternbild Eidechse, mein Fotoobjekt der ersten und zweiten
Nacht. Die erste Aufnahme kommt vom Wright-Newton Teleskop. hier sind noch
Hα und [OIII] Schmalbandfilter-Aufnahmen dazuaddiert, die ich nach der
Glockner-Expedition daheim auf der Terrasse aufgenommen habe. Das zweite
Foto wurde mit einem 135mm Teleobjektiv, das am Wright-Newton
montiert war, aufgenommen.
Der Standort direkt an der Südseite des Wallackhauses bot mehrere Vorteile. Erstens schützt das Wallackhaus gegen den lokalen Fallwind aus Norden, vom Hochtor herab. Zweitens hat mir der Wirt, der mich schon seit vielen Jahren kennt, ein Stromkabel verlegt. Und drittens konnte ich so jederzeit ins Haus rein, um mich aufzuwärmen und ein wenig zu ruhen.
In der klaren Morgendämmerung ab 5 Uhr Früh machte ich die Flatfield-Kalibrationsaufnahmen und baute dann meine Instrumente ab.
Glockner über der Pockhorner Wiesen auf der Fahrt zur Franz-Josefs-Höhe
Freitag, der 18. September, war wolkenlos und mit guter Fernsicht. Da bot es sich an, gleich am Vormittag den Bergsteigern beim Besteigen des Großglockners mit dem Teleskop zuzusehen. Der unterste Parkplatz 1 der Franz-Josefs-Höhe wird vor allem von Campingbussen genutzt. Am äußeren Rand des Parkplatzes gibt es eine Schotterfläche, auf der ich schon mehrmals mein Teleskop aufgebaut habe. Zuerst kam der Wright-Newton dran, visuell. Oben auf dem Großglockner waren zahlreiche Bergsteiger unterwegs. Das Teleskop erregte die Aufmerksamkeit einiger der anwesenden Camper, denen ich ebenfalls einen Blick durch das Teleskop gönnte.
Später baute ich auch noch den 105/650 mm TMB Refraktor mit Kamera auf. Damit fotografierte ich dann den Großglockner-Gipfel und die umliegenden Felsen und Gletscher. Das Seeing war diesmal recht gut.
105/650 mm TMB Refraktor vor dem Großglockner
Fotos durch den TMB Refraktor im Primärfokus: Klein- und Großglockner; Erzherzog-Johann-Hütte auf der Adlersruhe; Teufelshorn; 2 x Glocknerwand; Schwerteckkees
Traurig ist es, Jahr für Jahr den Rückzug der Pasterze zu beobachten. Auch 2020 hat sich der Gletscher stark zurückgezogen. Ich wollte diesmal möglichst nahe an den noch verbliebenen Gletscher. Gar keine einfache Sache, da der neu entstandene See an der Gletscherzunge den Zugang weitgehend versperrt. Zudem stellte sich heraus, dass der Gamsgrubenweg nach dem 6. Tunnel gesperrt ist. Ende Juli wurde dort Steinschlag beobachtet, und der Wegerhalter möchte die Haftung im Schadensfall nicht übernehmen, das ist der Grund für die Sperre. Die Begehung des Gamsgrubenweges ab dem letzten Tunnel ist nur mehr für Alpinisten mit Schutzhelm und professioneller Sicherheitsausrüstung sowie auf eigene Gefahr möglich.
Glockner und Pasterze im September 2020
Abstieg zur Pasterze mit Stahlseil, Gletschertor von oben, Glockner "von unten"
Der Rückweg erfolgte am Ufer von Gletscherfluss und See entlang bis zum Weg, der von der "Gletscherbahn" herunterkommt. Dort hing es dann steil hinauf zurück zur Franz-Josefs-Höhe. Entlang des Weges traf ich immer wieder auf Tafeln, die die Lage der Gletscherzunge in den vergangenen Jahren markieren.
Am Boden der Pasterze: Vor dem Gletschertor, Blick ins Gletschertor, Gletscherbach mit Seilbrücke, Wanderer vor Hufeisenbruch und Johannisberg
Großglockner-Panorama über der Pasterze mit Gletschertor
Am Gletscherweg: "Hund" aus Steinen, Gletscherstand 2015, Steinmanderln vor dem Glockner
Bei der Franz-Josefs-Höhe findet man stets Murmeltiere, die gar nicht scheu sind, und sich gerne fotografieren lassen.
Pflanzen bei der Franz-Josefs-Höhe: Schmalblättriges Weidenröschen, Landkartenflechte, Rispengras, Schmalblättriges Weidenröschen
Nach der doch sehr anstrengenden 3-Stunden-Wanderung gönnte ich mit einige Stunden Schlaf im Wallackhaus, um für die kommende Nacht fit zu sein.
Der Himmel beim Wallackhaus war am Abend klar, aber es versprach eine feuchte Nacht zu werden. Zum Einsatz kam wieder mein 125mm Wright-Newton an der Südseite des Hauses. Recht bald schon bemerkte ich Nebel, der vom Tal her kommen langsam höher stieg. Um 21:48 erreichte der Nebel das Wallackhaus. Plötzlich war alles rundum wie in Watte eingepackt. Niederschlag bildete sich auf allen Oberflächen aus. Da blieb nur: Schneller Abbau der Instrumente und Verladung ins Auto, bevor die Feuchtigkeit noch Schaden anrichten kann. Und dann: Was tun? Die Nacht aufgeben? Das wäre schade drum gewesen. Weiter oben müsste es doch noch klar sein?
Kurz entschlossen machte ich mich auf zur Edelweißspitze, 2500m und ziemlich "nebelsicher" an der Nordseite des Alpenhauptkamms gelegen. Knapp oberhalb des Wallackhauses "stieß" ich durch die Nebelobergrenze.
Edelweißspitze, Tageslichtaufnahme vom Hochtor
Auf der Edelweißspitze fand ich 4 Teleskope und 6 Astronomen sowie einige Camper vor. Der Himmel war nicht ganz klar, feine dünne Schleierwolken verdeckten Sterne und Milchstraße zeitweise. Ich ließ mich nicht abhalten und setze die unterbrochenen Aufnahmeserien fort. Zuerst stand der Dunkelnebel Barnard 150 am Programm, dann ergänzende Aufnahmen vom Emissionsnebel Sharpless 126, der mich in Nacht zuvor ja schon beschäftigt hatte. Als sich die Wolken verzogen hatten, maß ich Hintergrundhelligkeiten von 21.5 mag/arcsec2 abseits der Milchstraße, das blieb der beste Wert für diese Glocknerstraßentour. Nebenan konnte ich die tollen Mars-Aufnahmen bewundern, die ein Astronom aus der Nähe von Augsburg produzierte.
Strichspuraufnahme der zweiten Nacht von der Edelweißspitze Richtung Südwesten.
Zeitrafferaufnahme der zweiten Nacht (YouTube-Link) bis zur Morgendämmerung.
Barnard 150, der Seepferdchen-Nebel, ein Dunkelnebel im Sternbild Cepheus, ein Fotoobjekt der zweiten
Nacht mit dem Wright-Newton Teleskop.
Diesmal hatte ich es nicht so bequem, die Instrumente wurden zwar über Batterien versorgt, aber ich konnte mich nicht zum Aufwärmen und Ausruhen in ein Haus zurückziehen, sondern musste mit dem Auto vorlieb nehmen. Das war eine bitterkalte Angelegenheit, trotz vielschichtiger Kleidung und Decke, denn die Lufttemperaturen sanken bis auf +1°C ab. Dennoch hielt ich bis zur Morgendämmerung durch, die mich mit bunten Farben begrüßte.
Morgendämmerung auf der Edelweißspitze: Venus, Brennkogel, Steinernes Meer
Zurück beim Wallackhaus, das knapp zuvor offenbar aus der Nebelsuppe wieder aufgetaucht worden war, lud ich die Batterien wieder auf und legte mich dann ein wenig ins Bett.
Morgendämmerung über dem Nebel: Schobergruppe vom Hochtor, Wallackhaus, Wasserlacke beim Wallackhaus
Der Samstag war wieder ein schöner, warmer, wolkenloser Spätsommertag. Mein Tagesausflug ging diesmal hinunter nach Heiligenblut.
Heiligenblut vor dem Großglockner
Von dort aus wanderte ich über den Naturlehrpfad "Natura Mystica" auf der Südseite des Tales entlang. Höhepunkte des Weges sind das Kachlmoor und eine restaurierte Mühle mit ihrer kunstvoll angefertigten Wasserzufuhr. Ein Stichweg führt hinauf zu einer Aussichtskanzel, von wo man den Gößnitzfalles perfekt sehen kann. Gegenüber ragt eine Felswand hunderte Meter auf, welche von einer engen Kerbe geteilt wird. Aus dieser Kerbe donnert der gut wasserführende Gößnitzbach mehr als 70 Meter zu Tal.
Gößnitzfall lang und kurz belichtet
Pilze am Naturlehrpfad "Natura Mystica"
Der Rückweg führte mich beim Schöneck vorbei. Hier befindet sich ein Lehrweg über die Glocknerwiesen samt einer eingerichteten Naturschau.
Blüten am Naturlehrpfad Schöneck: Meisterwurz, Zickzack-Klee, Gemeine Schafgarbe
Die dritte Nacht versprach windstill zu werden, und Nebel war diesmal nicht zu befürchten. Gute Bedingungen also, um meinen 242/1189 mm Newton auszupacken, umsonst wollte ich den nicht mitgeschleppt haben. Fotoobjekte waren diesmal der gemischte Emissions-/Reflexionsnnebel Sharpless 2-82 im Sternbild Pfeil in der ersten Nachthälfte und van den Bergh 141, der "Geist im Cepheus" in der zweiten Nachthälfte.
Strichspuraufnahme der dritten Nacht (erste Nachthälfte) beim Wallackhaus Richtung Südwesten.
Zeitrafferaufnahme der dritten Nacht (YouTube-Link) von der Abend- bis zur Morgendämmerung.
Sh2-82 - Kleiner Trifidnebel und van den Bergh 141 - der Geist im Cepheus, die Fotoobjekte der dritten Nacht mit dem goßen Newton.
Teleobjektiv-Aufnahme der dritten Nacht: Die Umgebung von Sh2-82, mit Markierungen und Beschriftungen. Das Teleobjektiv war am Newton montiert.
Ein Gast aus dem Wallackhaus interessierte sich für Astronomie, und als die Aufnahmen zufriedenstellend liefen, baute ich den 105 mm Refraktor auf der Zweitmontierung zur visuellen Beobachtung auf. Nach den Planeten - Jupiter, Saturn und Mars bei mittelmäßigem Seeing - machte ich mit dem Gast eine Runde durch die bekanntesten Deep-Sky Objekte am Sommerhimmel: M11, Albireo, M27, M57, M31, M13, der Cirrus- Nebel. Nichts Besonderes, aber immer wieder schön, bei "alten Bekannten" vorbeizuschauen. Als die zweite Aufnahmeserie lief, legte ich mich im Haus schlafen, um fit für die Heimreise am nächsten Tag zu sein.
Morgenhimmel mit Venus und Cirren
Als ich am Morgen abbaute, war der Himmel voller Cirrus-Wolken. Diese sind schon aufgezogen, als ich schlief, in der zweite Aufnahmeserie gibt es daher viel Ausschuss. Nach den üblichen Flatfields baute ich die Instrumente ab und verstaute alles im Auto.
Nach kurzer Ruhe und Frühstück hieß es dann: Abschied nehmen von der Glocknerstraße und Heimfahrt übers Hochtor! Freilich nicht ohne an ein paar Aussichtspunkten noch stehen zu bleiben, etwa an der Fuscherlacke, wo ich Panoramaaufnahmen machte, oder bei dem Haus "Alpine Naturschau" mit seinem Naturlehrpfad.
Panorama vom Fuschertörl: Kloben, Kapuziner, Großglockner, Sinwelleck, Fuscherkarkopf, Johannisberg, Breitkopf, Mittlerer Bärenkopf, Hohe Dock, Klockerin, Vorderer Bratschenkopf, Großes Wiesbachhorn
Blüten beim Haus Alpine Naturschau: Kamille, Stachel-Kratzdistel, Deutscher Enzian, Wollgras, Mohn
Fazit diesmal: Ich hatte großteils Glück mit dem Wetter, und konnte alle drei Nächste nutzen, wenn auch keine davon ungestört von Wolken war. Etwas aufregend war die "Flucht" vor dem Nebel auf die Edelweißspitze in der zweiten Nacht. Das Wallackhaus ist eine sehr bequeme Unterkunft, man speist und wohnt dort gut, es ist aber bei Astronomen in den letzen Jahren unbeliebt geworden weil man nicht kurzfristig stornieren kann. Trotz Corona-Krise war viel los auf der Glocknerstraße und die Unterkünfte waren am Wochenende gut ausgelastet.
Was sonst noch? Der Himmel über der Glocknerstraße hat sich in den letzten beiden Jahren zumindest nicht verschlechtert. Aber auch nicht verbessert. Ok, 21.5 mag/arcsec2 im Zenitraum auf der Edelweißspitze ist nicht schlecht, aber da ging in früheren Jahren mehr. Die Lichtglocke am Südhimmel zieht sich vom Horizont bis in ca. 30° Höhe hinauf - so kenne ich das schon seit einigen Jahren. Fein war's trotz allem - in den nächstes Jahren sehen wir uns bestimmt wieder, ich und die Glocknerstraße!
Walter