Jedes Jahr erwarte ich den September-Neumond mit einer gewissen Vorfreude, denn dann wird es Zeit für meine alljährliche Tour auf die Glockner-Hochalpenstraße. Ein wenig Spannung ist auch immer mit dabei: Wird das Wetter mitspielen? Wird es mir die Chance auf ein, zwei herrlich klare Nächte im Hochgebirge lassen? Gerade in der Höhe verhält sich das Wetter ja oft sehr launisch, auf wenige klare Nächte folgen oft Schlechtwetterperioden. Es ist keine Seltenheit bei Sonnenschein hinaufzufahren und bei Regen oder gar Schneefall die Bergstraße nach wenigen Tagen wieder zu verlassen.
Um den Leser nicht länger im Ungewissen zu lassen, sei gesagt, dass dieses Jahr sogar drei weitgehend klare Nächte hintereinander drin waren. Das ist selten, aber der September 2006 bot mehrere Wochen lang hindurch eine stabile Hochdruckwetterlage mit nur kurzen Unterbrechungen, richtig ideal für Unternehmungen in den Zentralalpen. Angereist bin ich am Mittwoch, den 20. September 2006, unmittelbar nach Durchzug einer schwachen Kaltfront mit etwas Regen - ich wollte das "Rückseitenwetter" nutzen, nach Frontdurchzug sind häufig besonders klare Nächte zu erwarten.
Impressionen von der Auffahrt - Im Hexenkuchl
Als ich an der Glocknerstraße ankam, sank die Begeisterung gleich einmal: Der Abendhimmel war mit Schleierwolken weitgehend bedeckt. Die Erfahrung mehrerer Beobachtungsaufenthalte sagte mir jedoch, dass sich derartige Wolken in der Abenddämmerung, wenn es kalt genug wird, auflösen. Die Feuchtigkeit setzt sich dann im Laufe der Nacht am Boden ab und führt zu Nebeldecken in den Tälern, über denen man in der Regel auf der Glocknerstraße drüber steht. Und so kam es dann auch.
Als Unterkunft habe ich mir dieses Jahr wieder die Edelweißhütte ausgesucht. Diese befindet sich direkt auf der Edelweißspitze, mit 2572m der höchste mit dem Auto erreichbare Punkt in dem Gebiet. Zwar wohnt man dort vielleicht nicht ganz so komfortabel wie z.B. im Wallackhaus, dafür ist die Atmosphäre gut und der Wirt kümmert sich rührend um seine Gäste, außerdem ist er an Astronomen gewöhnt - man kann in der Nacht rein und raus, und wenn man am nächsten Tag erst gegen Mittag für's Frühstück erscheint, so ist das auch kein Problem. Die Hütte liegt geringfügig tiefer als der Parkplatz an der Nordwestseite des Berges, das wenige Licht, das aus den Fenster entkommt, sieht man nicht direkt, wenn man oben steht. Wohl würde man die Laternen sehen, die den Weg zur Hütte beleuchten, auf meine Bitte hin hat der Wirt sie jedoch abgedreht.
Die Nacht war anfangs ein wenig windig, was mich veranlasst hat im Windschutz des Aussichtsturmes aufzubauen, der Wind hat sich aber später in der Nacht gelegt. Die Temperaturen waren noch erträglich bei +4°C, und es war nur mäßig feucht. Die Transparenz des Himmels war atemberaubend, die Milchstraße reich strukturiert, der Himmel weitgehend finster zwischen den Sternen - kaum Aufhellung durch künstliches Licht! Lediglich der tiefe Südhorizont war anfangs durch übriggebliebene Wolkenschleier ein wenig aufgehellt, die von unten beleuchtet wurden - möglicherweise von Mailand? Da es ein Wochentag war, blieb ich in dieser Nacht auch von verspäteten Ausflüglern oder anderen Nachtschwärmern weitgehend verschont. Zwei Teleskope habe ich in dieser Nacht eingesetzt: Den 4.9" Wright-Newton für die Astrofotografie, ausgestattet erstmals mit einer Canon 350D digitalen Spiegelreflexkamera, und den 9.5" Newton für die visuelle Beobachtung. Die Astrofotografie hat bei mir Priorität, daher konnte ich nicht besonders viele und auch nicht besonders ausgefallene Objekte beobachten. Aber auch die Standardobjekte sind gleich doppelt so schön, wenn man sie unter solchen Bedingungen beobachtet.
Strichspuraufnahme: Milchstraße über Brennkogel und Kloben, am tiefen Südhorizont Reste der Schleierwolken, interessante Färbung des Südhimmels
Astrofotos der ersten Nacht: IC 5146 - Cocoon Nebula, IC 1805 - Running Dog Nebula
Diese Nacht habe ich bis zur Morgendämmerung durchgemacht. Die Morgendämmerung nach einer klaren Nacht im Hochgebirge ist unbeschreiblich schön, das Licht einmalig, wenn die Berge zuerst in ein zartes Morgenrot eingefärbt werden, danach dann die ersten Sonnenstrahlen die Spitzen treffen... Da schlägt einem Naturliebhaber und Fotografen das Herz ein Stück höher. Erst nach 7 Uhr kam ich ins Bett.
Aufgang des abnehmenden Mondes als schmale Sichel in der Morgendämmerung, ca. 32 Stunden vor Neumond - man erkennt den Erdschein
Morgendämmerung im Hochgebirge
Donnerstag war ein schöner Tag, am Himmel zeigten sich aber wiederum einige Schleierwolken. Tagsüber bin zum Hochtor hinüber gefahren, um ein wenig zu fotografieren und um die Autobatterie aufzuladen. Auf einem großen Schotterplatz beim Fuschertörl habe ich den 4.1" APO Refraktor aufgebaut, zur Berg- und Sonnenbeobachtung. Einige Bergsteiger waren am Großen Wiesbachhorn unterwegs. Die Sonne zeigt derzeit nur einige sehr kleine Flecken.
Teleaufnahmen: Großglockner und Sinewelleck am späten Nachmittag, Ritterkopf (3006m)
Refraktoraufnahmen: Großglockner (3798m), Sinewelleck (3281m), Großes Wiesbachhorn (3564m) mit 650mm Brennweite
Beim Wallackhaus, das wenig unter dem Hochtor an der Südseite der Glocknerstraße liegt, traf ich auf auf eine Beobachtergruppe bestehend aus Ronald Stoyan, Thomas Jäger, Matthias Juchert, Harald Rottensteiner und Klaus Veit, mit denen ich mich dort verabredet hatte. Der Himmel war nach wie vor mit Schleierwolken bedeckt, und die Herren wollten mir partout nicht glauben, dass sich das noch auflösen wird ;-)
Abendstimmung mit Schleierwolken
Pünktlich mit dem Ende der astronomischen Dämmerung lösten sich die meisten Wolken dann tatsächlich auf, ein paar Dunstschleier blieben jedoch, die mal dieses, mal jenes Sternbild bedeckten. Diese verschwanden erst gegen Mitternacht. Danach war es jedoch eine ausgezeichnete Nacht mit einer Grenzgröße von 6.7 mag im Kleinen Bären, mäßigem Seeing und gar nicht so kalten Temperaturen um die 5°C, jedoch war es sehr feucht. Offene Teleobjektive beschlugen sofort, die Teleskoptuben wurden alle nass, die Optik meines Newtons bleib aber frei vom Tau.
Astrofoto der zweiten Nacht: IC 5146 - Cocoon Nebula mit dem 9.5" Newton Teleskop
In dieser Nacht hatte ich mit einigen technischen Problemen zu kämpfen. So entwickelte das Autoguider-Kabel einen Wackelkontakt, hat mal funktioniert, mal nicht, sehr ärgerlich. Der Feintrieb vom Fokussierer wollte ebenfalls nicht mehr, von der Handsteuerung ist mir das Display heruntergegangen, und meine Werkzeugschachtel ging zu Bruch. Klar, auf so einer Tour passiert so einiges, damit muss man schon rechnen. Die externe Batterie war auch irgendwann leer, ab da habe ich den Strom nur mehr aus der Autobatterie bezogen. Aufgrund all dieser Probleme wollte es mit dem Fotografieren nicht so recht klappen, erst spät gelangen mir einige wenige Aufnahmen vom Cocoon-Nebel IC 5146. Als Einziger habe ich bis zur Morgendämmerung durchgemacht, alle anderen haben schon früher aufgegeben. Das Zodiakallicht war vor der Morgendämmerung, so ab 4:30, gut zu sehen, der Lichtkegel hat sich vom Löwen am Horizont über den Krebs hinauf bis in die Zwillinge erstreckt, fast wie eine zweite Milchstraße.
Zodiakallicht am Osthorizont - aufgenommen mit einem 18mm
Weitwinkelobjektiv am 22.9. um 4:58 und 5:33 MESZ. Bei der zweiten Aufnahme hat die
Dämmerung schon deutlich eingesetzt. Der Sternhaufen etwa in der Bildmitte
ist Praesepe (M44) im Krebs, darüber befindet sich das Sternbild Zwillinge.
An der Südseite gab's unten im Tal am Morgen eine geschlossene Nebeldecke, die Nordseite war nebelfrei. Die Farben der Dämmerung waren wiederum beeindruckend.
Das Sternbild Orion in der Morgendämmerung
Blicke ins Tal in der Morgendämmerung, links vom Hochtor aus nach
Süden, Blick auf das Wallackhaus (unten im Vordergrund) und auf die
Schobergruppe; rechts von der Edelweißspitze aus nach Norden, Blick auf
Zeller See und Steinernes Meer
Freitag war ein Tag mit wolkenlosem Himmel, richtiges Kaiserwetter. Allerdings war ich nach zwei durchgemachten Nächten so müde dass ich tagsüber nicht viel gemacht habe außer einige kleine Reparaturen durchzuführen, ansonsten habe ich nur geschlafen. Am Abend war viel los auf der Edelweißspitze: 10 Amateurastronomen! Klar, Wochenende. Das war schon ein kleines Teleskoptreffen, wir haben es Mini-ITT getauft ;-)
"Mini-ITT" auf der Edelweißspitze, Freitag 22. September 2006
Späte Abenddämmerung:Untergang des Planeten Jupiter, Sternstrichspuren über der Hohen Dock
Die Partie von der vorigen Nacht war auch mit dabei, exklusive einiger Bergsteiger, die nach einer Bergtour auf den Brennkogel zu müde waren um noch auf die Edelweißspitze zu kommen. Außer mir waren alle visuelle Beobachter. Da wurde heftig gefachsimpelt, Erfahrungen ausgetauscht und diskutiert, es war eine richtig nette kleine Starparty. Beidachsig nachgeführte große Dobs, manche sogar mit GOTO ausgestattet, dürften der aktuelle Trend unter den ambitionierteren visuellen Beobachtern sein. Die "Lichtdisziplin" wurde generell sehr gut eingehalten. Gestört haben jedoch Testautos, von denen mehrere unterwegs waren: Konturen verhüllt, jedes Rad beleuchtet und mit Messgeräten versehen, Notebook läuft am Beifahrersitz, sehr langsam gefahren. Bis nach Mitternacht waren die unterwegs, und sind dabei immer wieder zur Edelweißspitze heraufgekommen.
Strichspuraufnahme: Milchstraße über Brennkogel und Kloben, diesmal ohne Schleierwolken
Es war auch eine grandiose Nacht durchgehend von der Abend- bis zur Morgendämmerung, wieder 6.7 mag visuelle Grenzgröße, windstill, 6°C, nur wenig feucht, mittelgutes Seeing. Alle anwesenden Amateure waren von dem Himmel restlos begeistert, ich war es auch. Fotografiert habe ich diesmal mit dem Wright-Newton (Canon 350D) und mit diversen Teleobjektiven (Nikon D70), diesmal hat alles recht gut funktioniert.
Teleskopaufnahmen der dritten Nacht: IC 5067-70 - Pelican Nebula und umgebende Nebeln, M52 und NGC 7635 - Bubble Nebula Region
Teleaufnahmen der dritten Nacht: Die Milchstraße im Schwan,
Untergang der Sommermilchstraße über dem Wiesbachhorn (3564m),
das Sternbild Orion und Sirius über dem Hocharn (3254m), ein Größenvergleich
Ronald Stoyan hat mich erstmals auf den Gegenschein aufmerksam gemacht. Das ist eine vielleicht 5° große flächige Aufhellung des Himmels, sieht aus wie eine kleine Schleierwolke, habe ich wahrscheinlich schon ein paar Mal gesehen und für eine solche gehalten. Stand gleich links und etwas unterhalb des rechten Fisches, genau gegenüber der Sonne. Das sieht man nur in Nächten mit sehr hoher Transparenz.
Der Gegenschein am 23. September 2006 um ca. 3:16 MESZ, 2 x 10 Minuten, Zoomobjektiv bei 31mm Brennweite
Durch die vielen Dobs habe ich eine ganze Menge interessanter Objekte mitbeobachtet, während meine Fotos liefen: Wolf-Lundmark-Melotte und IC 10, beide Zwerggalaxien der Lokalen Gruppe, Abell 6 in der Cassiopeia und Abell 12 im Orion, beides interessante Planetarische Nebeln, NGC 1999 (Schlüsselloch-Nebel), NGC 55 (eine große Galaxie im Sculptor, Deklination -39° - knapp über dem südlichen Bergkamm, trotzdem jede Menge HII-Regionen!), und natürlich prächtige Standardobjekte wie M13, M57 (Ringnebel), M42/43 (Orionnebel), und B33, den Pferdekopfnebel - im Bino!
Als sich das Zodiakallicht gezeigt hat, war es für mich Zeit ins Bett zu gehen - schließlich musste ich am Samstag heimfahren...
Am Samstag, den 23.9., gab es wieder klaren Himmel, allerdings nur auf der Nordseite, über das Hochtor ist Nebel richtig schön "drübergronnen".
"Fließender" Nebel beim Hochtor
Ich bin zur Franz-Josefs-Höhe hinüber gefahren, dort hingen Wolken, wenig Aussicht. Ich habe dort die Murmeltiere fotografiert und bin danach ein wenig den Gamsgrubenweg entlang gewandert.
Wolken auf der Franz-Josefs-Höhe, hier ein lichterer Moment.
Murmeltiere bei der Franz-Josefs-Höhe
Mit Zwischenstop in Villach ging danach heim nach Wien. Ausbeute diesmal: ca. 3 GB an Daten. Beschäftigung für viele bewölkte Nächte... ;-)
Voller Parkplatz auf der Edelweißspitze am Wochenende
Zusammenfassend kann ich sagen, dass sich die Glockner-Hochalpenstraße sich wieder einmal bewährt hat als vielleicht bester Beobachtungsplatz in Österreich, der mit dem Auto erreicht werden kann. Man darf mit einer ausgezeichneten Transparenz des Himmels rechnen, gutes Seeing ist in der Region schroffer Berge aber eher selten. Die Südseite der Straße scheint etwas anfälliger für Feuchtigkeit und Nebel zu sein, dafür ist man auf der Edelweißspitze mehr dem Wind ausgesetzt. Jedoch: Auch auf der Glockner-Hochalpenstraße gibt es von Jahr zu Jahr mehr Licht. Vor dem Wallackhaus gibt es eine helle Leuchtreklame, und es entkommt doch viel Licht aus den Fenstern, da muss man schon bis gegen Mitternacht warten, bis das meiste Licht weg ist - die Nachtbeleuchtung der Gänge im Haus wird aber scheinbar überhaupt nicht abgedreht. Auf der Edelweißspitze gibt es weniger Licht von der Hütte, dafür stören Laternen, die den Weg zur Hütte weisen (man kann Wirt aber bitten, diese abzudrehen), und außerdem ist die Spitze ein allzu beliebtes Ausflugsziel für diverse Nachtschwärmer. Generell gibt es in der Nacht auf der Glocknerstraße trotz Sperre und Nachtfahrverbot Verkehr, etwa jede Stunde kommt ein Auto vorbei. Wer das Wochenende meidet, wird noch mit den wenigsten Störungen davonkommen. An schönen Wochenende macht das Befahren der Bergstraße ohnehin keinen Spaß, weil man sich dann hinter Bussen, Oldtimern und Radfahrern in die Schlange einreihen muss. Generell geht es im September aber schon ruhiger zu als im Juli oder August.
Rabe im Flug über die Pasterze