Erinnerungen an meinen "Rasierspiegel" Was der Golf unter den Autos ist, ist unter den Amateurfernrohren wohl das 8" SC. Aber so ein Ding hat schon seinen Preis. Davon koennen viele angehende Sternfreunde nur traeumen. Deshalb greift so manch jugendlicher Spechtler zu einem 4,5" Newton-Rohr, das im Gegensatz zu kleinen Linsern schon "maechtig" ausschaut. Nach dem Motto "je dicker das Rohr, umso stolzer der Besitzer" werden solche Geraete zu guenstigen Preisen meist aus Grosskaufhaeusern nach Hause geschleppt. Dieser Umstand und das "schwache" Drumherum wie Montierung, Stativ und Okulare tragen zum schlechten Ruf solcher Teleskope bei. Meinen 4,5" TASCO habe ich damals, 1980, als Drittbesitzer von einem anderen Sternfreund um etwa 3000 Schilling gekauft. Dabei soll man die 110/900 mm "Rasierspiegel" aber nicht unterschaetzen. Es gibt naemlich durchaus auch "schaerfere" Versionen, mit 6x30 Sucher statt dem 5x24 Pfeiferl, mit 1,25" Okularauszug, der die Verwendung von weitaus besseren Okularen ermoeglicht. Wenn man nun einen solchermassen "getunten Rasierspiegel" noch auf eine brauchbare Montierung und ein stabiles Holzstativ setzt, hat man auf einmal ein durchaus passables Spechtlgeraet. Leider schnalzt mit obengenannter Ausstattung der Preis schon empfindlich in die Hoehe, und man hat doch nur einen 4,5 Zoeller. Diese Ueberlegung haelt wohl die meisten "Rasierspiegelbesitzer" davon ab, allzuviel in ihr Rohr zu investieren. Ausserdem bekommt man ja meist so ein Fernrohr als Bub, in dem Alter, in dem sich Buben eben unvermeidbar einmal fuer Ritterburgen, dann wieder fuer Dampflokomotiven, Segelflieger, Schifferl, Astronauten und vielleicht auch fuer die Sterne interessieren. Man guckt ein paar Mal durch, schaut sich den Mond an, Jupiter und Saturn, Mars ist ja meistens nicht beobachtbar, wenn man ihn braucht, findet vielleicht noch den Andromedanebel, und stochert ansonsten hilflos am Himmel herum, bringt nix mehr z'samm, und das Fernrohr landet schliesslich am Dachboden, in einer Ecke, wo es verstaubt. Vielleicht kuesst es eines Tages ein junger, schoener Prinz aus seinem Dornroeschenschlaf wach, der gerade die Sterne wiederentdeckt hat. (Nein, ich bin kein schoener Prinz, also ist das auch nicht meine Geschichte, zumindest nicht ganz...) Wenn man nun muehevoll, aber mit wiedererwachtem Eifer mit seinem alten Roehrl doch ein paar schoene Objekte erspechtelt hat, merkt man auf einmal, dass es sich damit doch gar nicht so schlecht beobachten liesse, wenn Montierung und Stativ stabiler waeren, wenn der Sucher ..., die Okulare ..., ja wenn. Ich habe letzlich doch ein paar Verbesserungen angebracht. Die erste gravierende Aenderung war mein selbstgezimmertes Stativ: 3 je einen Meter lange 5/8er Staffel, mit Saege, Stemmeisen und Holzraspel wusste ich umzugehen, ein Toepfchen Farbe, und schon ging's dahin. Herausgekommen ist ein handfestes Dreibein, nix verstellbar, alles fest verschraubt, auf halber Hoehe eine stabile Ablageplatte aus Holz. Dieses Stativ traegt das Gewicht eines 4,5 Zoellers samt Montierung locker. Steht, schwingt rasch aus. Jetzt war Beobachten erst einmal so richtig moeglich! Jede Beruehrung des Fokussierknopfes versetzt ja das Rohr in Schwingungen, und es ist einfach toll, wenn das Zeug rasch ausschwingt, und nicht endlos hin und her tanzt, wie mit dem serienmaessigen "schwankenden" Stativ! Die Okulare waren der naechste Schwachpunkt. Einerseits, weil man nur die meist nicht sehr hochqualitativen 0.965" Guckerln in den Okularauszug reinbringt, andererseits, weil zu wenig "Vergroesserungen" mitgeliefert werden. Bei meinem TASCO waren 2 Okulare dabei, ein H20 mm und ein H6 mm, weiters eine 2x Barlowlinse. Damit standen folgende Vergroesserungen zur Verfuegung: 45x, 90x (mit Barlow, nur beschraenkt einsetzbar), 150x, und 300x (unbrauchbar). Was fehlte, war eine brauchbarere Mindestvergroesserung und die Idealvergroesserung. Nun, ich kann berichten, was geeignete Okulare bringen: Fuer den Nachbesitzer besorgte ich noch ein K30 mm, ein K9 mm, und ein Ortho 9 mm an. Das K30 brachte 30-fache Vergroesserung, und ein Gesichtsfeld von annaehernd 90'! Die Pleiaden passten ganz rein, der doppelte Haufen im Perseus locker! So fiel die Orientierung viel leichter, wenn man im Okular per Starhop navigieren muss. Und die 9 mm Okulare ergaben 100-fache "Power". Speziell das Ortho hat mir gut gefallen, bildete scharf und recht kontrastreich ab. Fuer Doppelsterne war sogar die mit Barlow erreichbare 200fache Vergroesserung noch interessant. Bei Planeten ist mit dem 6 mm Okular meist doch mehr zu sehen als bei 100x. Dafuer brachte das 9 mm noch bei manchem Deep Sky Objekt Vorteile. Das "vorletzte" Problem war der Sucher. Der verdiente seinen Namen wirklich, man musste schon sehr lange suchen, bis man damit was fand. Ok, ok, in sehr klaren Naechten war auch damit was anzufangen. Sterne bis zur - mmmja - 7. Groesse zeigte er doch, hatte ausserdem ein recht grosses Gesichtsfeld, und wenn man einigermassen gelernt hatte, damit zurechtzukommen, war er allemal besser als kein Sucher. Groesster Vorteil war wohl, dass man mit dem duennen Roehrl recht gut zielen konnte, und nicht erst in der Gegend herumruehren musste, bis der gefragte Stern "vorbeikam". Der Nachbesitzer, ein Arbeitskollege, hat auch dieses Thema in Angriff genommen, und einen 6x30 Sucher nachgeruestet. Leider litt durch das hoehere Gewicht dieses "Trumms" die Balance etwas, weil die Montierung (das "letzte" Problem) eh schon zu tun hat, das Rohr halbwegs wackelfrei zu halten, und zusaetzliche Ausgleichsgewichte die Situation sicher nicht verbessern. Man kann noch mit der serienmaessigen, duennstangeligen Montierung leben, Wind soll nur keiner gehen, und man sollte achten, regelmaessig alle Schrauben auf festen Sitz zu kontrollieren. Die Kosten fuer mein Eigenbaustativ waren moderat, und auch die paar neuen Okulare kosteten kein Haus. Mit dieser Ausruestung konnte ich noch ein paar beachtliche Beobachtungsergebnisse erzielen. So konnte ich z. B. mit dem 9 mm Ortho plus 2x Barlowlinse Epsilon Arietis trennen, Distanz: 1,4"! Am Jupiter zeigte der Rasiespiegel locker noch diverse Knoten in den Hauptbaendern, und sogar das kontrastschwache Wolkenband auf Saturn war damit zu entdecken! Also, die Optik war gar nicht soooo schlecht. Die Abbildung war ok, von Koma nix zu bemerken. Der Kontrast am Planeten war wie geschildert auch gar nicht so uebel. Was mir anlaesslich einer Reinigung und anschliessenden Kollimation der Optik aufgefallen ist: Der Fangspiegel ist sehr klein, nimmt nicht einmal das parachsiale Lichtbuendel des Hauptspiegels auf. Folge: leichter Oeffnungsverlust, doch mittlerweile weiss ich, dass es fuer die Bildqualitaet u.U. sogar foerderlich sein kann, wenn die aeussersten Randstrahlen nicht mehr zur Abbildung herangezogen werden :-) Mein Rasierspiegel wird vom Nachbesitzer in Ehren gehalten. Wuerde ich jedoch heute nochmals vor der Entscheidung stehen, ich taet ihn nicht verkaufen. Warum? Fuer die minimalsten Beobachtungen, wo man mehr braucht als einen Feldstecher, aber wirklich sofort einsatzbereit sein moechte, war dieses Teleskop ideal. Mit samt und sonders einfach in den Garten gestellt, die Okulare im Hosensack - ruck-zuck startbereit! Und um weniger Geld gibt's wirklich nicht mehr zu sehen... Howdii